Das verschwundene Kind by Bezler Doris

Das verschwundene Kind by Bezler Doris

Autor:Bezler, Doris [Bezler, Doris]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 978-3-426-41829-1
Herausgeber: Knaur eBook
veröffentlicht: 2013-07-08T04:00:00+00:00


Donnerstag, der 25. Oktober

Inzwischen hatte es sich eingebürgert, dass sie sich jeden Morgen um sieben Uhr mit ihren Kaffeetassen in der Hand an den Schreibtischen gegenübersaßen. Lars Stephan hätte vollstes Verständnis dafür gehabt, wenn Heck an diesem Morgen auf das Ritual verzichtet hätte. Doch er kam wie gewohnt und ließ sich schwer auf seinen Bürostuhl fallen. Dann holte er tief Luft, schüttelte ein wenig den Kopf und sah Lars Stephan lange an.

»Ich weiß gar nicht, wie ich dir für gestern danken kann«, erklärte Stephan. »Für so was gibt es keine Währung, Kollege. Oder?«

»Doch«, sagte Heck trocken, »kläre mir diesen verdammten, verzwickten Fall auf! Aber bitte ohne Sperenzchen – von mir aus mit Phantasie und Alleingängen und ungewöhnlichen Mitteln, aber nie mehr, ohne dass du mich davon in Kenntnis setzt, verstanden?«

Lars nickte. »Ich habe heute Vormittag einen Termin in der Shiatsu- und KG-Praxis der Damen Kling und Sauer«, erklärte er.

»Aha, und warum?«

»Weil ich Nackenverspannungen habe.« Lars Stephan schmunzelte.

Heck grinste. »Na, dann lass dich mal entspannen, Kollege!«

*

Punkt elf Uhr stand Stephan an der Tür der Praxis. Ein sanfter Gong, der lange nachhallte, ertönte, nachdem er den Klingelknopf betätigt hatte. Wenig später wurde die Tür mit dezentem Schwung von Veronika Kling geöffnet. Um ihre Mundwinkel spielte ein geheimnisvolles Mona-Lisa-Lächeln, ihre Augen hingegen taxierten ihn mit kühlem Eisblick. Stephan musterte sie ebenfalls. Sie trug eine weite, erdfarbene Hose. Ihre Füße steckten in flachen, schwarzen Ledersandalen. Ebenso schwarz war eine lang geschnittene, kurzärmelige Bluse mit Stehkragen, die ihrem Oberkörper eine unvorteilhafte Kastenform verlieh. Ihn erinnerte das an die Rüstung eines asiatischen Kriegers. Ihr glattes, dünnes Blondhaar passte nicht zu diesem Outfit.

»Kommen Sie doch herein, und ziehen Sie bitte die Schuhe aus!«, sagte sie und trat einen Schritt zurück. Er stand in einem schmucklosen, vanillefarben getünchten Flur mit schwarz gekacheltem Fußboden. Es gab ein offenes, dunkles Holzregal, in dem sich bereits drei Paar Schuhe befanden. Stephan stellte seine dazu. Daneben an der Wand verlief eine schmale Garderobenleiste. Ein dünner, grauer Mantel, der mit einem zarten, bunten Halstuch dekoriert war, hing dort auf einem Bügel. Stephan hängte seine Lederjacke daneben an einen Haken und folgte Veronika Kling auf Strümpfen durch den langen Flur bis zu einer geschlossenen Tür, auf der ein Kreis mit ineinanderfließenden Hälften in Schwarz und Weiß aufgemalt war. Veronika Kling wandte sich zu ihm um. »Meine Kollegin hat mir gesagt, dass Sie sowohl bei mir eine Shiatsu-Behandlung als auch bei ihr eine krankengymnastische Therapie wünschen?«

»Ja«, bestätigte er mit verlegenem Grinsen, »ich dachte, doppelt gemoppelt hält besser.«

Sie ging nicht auf seinen lockeren Ton ein, sondern entgegnete streng: »Eigentlich sollte man das trennen, aber ich verstehe es so, dass Sie heute einmal hineinschnuppern wollen, was Ihnen besser behagt?«

Er bestätigte mit stummem Nicken.

»Ich hoffe, Sie haben Zeit mitgebracht, denn eine Shiatsu-Sitzung dauert eine ganze Stunde.«

»Ja, ich habe Zeit«, erwiderte er.

Das war das Signal für sie, die Tür zu öffnen und in den Raum zu treten. Er folgte ihr einen Schritt und sah sich dann erst einmal um. Die Wände waren in verschiedenen Abtönungen von Apricot über Orange bis Rostrot gestrichen.



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